Die psychologische Bedeutung von Plüschtieren bzw. Kuscheltieren, Puppen und an­deren Übergangsobjekten bei Menschen mit (M. m. B.) oder ohne Behinderung

 

 

 

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Welche Bedeutung haben Plüschtiere bzw. Kuscheltiere für den Menschen?

 

Ich habe nicht selten das Zimmer von Wohnstätten-Bewohnern gänzlich vollgepfropft mit Plüschtieren vorgefunden und über die Gründe nachgedacht, die einen Menschen dazu bringen, eine paranormale, intensive Beziehung zu Plüschtüren einzugehen. Die „üblichen“ Interpretationen für ein Plüschtier lauten: Plüschtiere verringern Ängste, sie er­setzen den Partner, sie vermitteln Geborgenheit durch Ankuscheln. 

Oft wird  auf  die sogenannten Harlow-Affen hingewiesen. Verhaltensbiologische  und psychologische Experimente in den 60er Jahren (Harlow, Spitz, Bolby) fanden heraus, dass Kuscheln und menschliche (körperliche) Nähe für die Entwicklung  für Primaten (Affen und Menschen) überlebenswichtig seien.  In diesem Zusammenhang wurde auch der Hospitalismus in Heimen untersucht, wo körperliche Zuwendung fehle und zu Deprivation - zum Reizentzug -  und damit zu Hospitalismus führe.

Da jedoch auch Kinder der liebenswertesten Mütter Plüschtiere besitzen , greifen diese Vorstellungen nur unvollständig. Zudem können auch Mitmenschen bzw. Mitarbeiter/innen elterliche Rollen übernehmen. Warum wird dann dennoch in übertriebener Art und Weise besonders bei M. m. B. häufig ein Plüschtier als Partner gewählt?

Ich habe versucht, psycho­analytische Konzepte für die Interpretation dieser Art von Beziehung zu Plüschtieren und Puppen heranzuziehen. Diese Konzepte decken sich sehr gut mit den empirischen Ergebnissen der Ethologie (vergleichende Verhaltensforschung) und der Verhaltenstherapie (was oft nicht der Fall ist).

 

Der Ambivalenzkonflikt

Plüschtiere haben offensichtlich einen Beziehungsaspekt. Be­ziehungen werden in der frühkindlichen Phase gelernt. Ein wesentlicher Prozeß der frühkindlichen Entwicklung zwischen Mutter und Kind wird bekanntermaßen als Am­bivalenzkonflikt bezeichnet. Winikott hat diese Phase auch mit dem Konzept einer „hinrei­chend guten Mutter“ bezeichnet. Damit ist gemeint, daß die Mutter idealerweise ihrem Kind nicht nur wohlwollende und liebende Gefühle entgegenbringt, sondern sie darüber hinaus aufkommende Gefühle von Aggression und Haß ertragen kann, ohne danach zu handeln und das Kind zu schädigen. Die Mutter verhält sich  dagegen aus der Sicht des Kindes ambivalent. Sie muß liebende und abwertende Gefühle integrieren. Das Kind muß eine "gute" (gebende) und eine "böse" (versagende) Mutter integrieren.

 

Bei Gefängnisinsassinnen, die ihre Kinder im Gefängnis betreuen können und ambivalente Gefühle aufgrund ihrer Sozialisation und ihrer Straftat schwer integrieren können, findet man oft folgendes Verhalten: Die Kinder werden physisch gut versorgt, erleiden aber überzufällig oft „Unfälle“ (Fallen von der Wickelkommode etc.). Möglicherweise drücken sich auf diese Weise die nicht integrierten Aggressionen gegen das Kind aus.

 

Wie entstehen aggressive Gefühle gegenüber dem eigenem Kind?

 

Sie entstehen durch die ständigen Forderungen des Kindes an die Mutter bzw. Eltern. Kinder sind anarchisch, bedürfnisorientiert und bestimmen die elterliche Situation auf das Nachdrücklichste. Eltern kennen das.

Das Kinden entwickelt aber auch Aggressionen.

Fördernd für eine gesunde psychische Entwicklung des Säugling und des Kindes ist die Erfahrung der Abhän­gigkeit von der mütterlichen Fürsorge, die das Kind aggressiv stimmt, denn nur diese Erfahrung ermöglicht dem Kind, sich aus der Abhängigkeit von der Mutter herauszulösen. Dieser Prozeß wird durch die Aggressivität des Kindes in Gang gesetzt, wobei der wachsenden körper­lichen als auch geistigen Beweglichkeit des Kindes die Qualität von Aggressivität - im Sinne von verstärktem Bewußtsein von Abhängigkeit - zugesprochen wird. Durch die aggressiven Elemente wächst die Fähigkeit des Kindes, Realität zu erkennen und zu akzeptieren und sich dadurch als individuelle Existenz zu entwickeln und zu erleben. Dieser Prozeß ist entscheidend für die Entwick­lung eines wahren Selbst gegenüber der Ausbildung eines falschen Selbst (siehe unten) und bei der Ablösung von der Mutter.

 

Die aggressive Komponente führt in der Konfrontation mit der Umwelt zum Erkennen der Nicht-Ich-Welt und damit zur Konstituierung des Ichs. Aus diesem Grund braucht der Säugling für seine gesunde psychische Entwicklung nicht nur ein befriedigendes, sondern auch ein versagendes Objekt (meistens die Mutter und die Eltern, später die Realität), das den aggressiven Regungen und Tenden­zen Widerstand entgegensetzt. Allerdings dürfen die Widerstände nicht zu groß wer­den, da sie sonst die Abwehrleistung des sich entwickelnden Ichs des Säuglings überfordern.

 

Was ist ein Objekt?

 

Die psychoanalytische Theorie der Objektbeziehungen ist besonders geeignet, die enge Beziehung zwischen Ich und Wirklichkeit zu verstehen, was hinsichtlich der Problematik der M. m. B. von großer Bedeutung ist. Die Erkennung und Interpretation der Realitätswahrnehmung ist eine wichtige Dimension im Um­gang mit dem M. m. B..

 

 

Die Theorie der Objektbeziehungen ist eine Weiterentwicklung der klassischen Psychoanalyse und ursprünglich eine Theorie der kindlichen Entwicklung, insbesondere über Vorstellungen bzw. Bedeutungen der kindlichen Phantasie und ihren (krankhaften) Abweichungen.

 

 

Die innere Welt des Kindes ist voll von guten und bösen Objekten, mit denen das Kind interagiert und kämpft. Die kindliche Wahrnehmung der Mutter wird zunächst nur von der nähren­den Brust bestimmt, dies füllt vollständig das Erleben des Kindes aus. Die Wahrnehmung des mütterlichen Objektes ist somit anfänglich vollständig von dem Erleben der Omnipotenz und Kontrolle über die Mutter bestimmt. Die nährende Brust der Mutter wird so noch nicht als ein von sich selbst abgetrenntes Phänomen erlebt. Es ist so, als sauge der Säugling sozusagen an sich selbst. Dies wird als Objektbeziehung be­zeichnet, die Mutter ist ein reines Objekt zur Erfüllung der kindlichen Wünsche. Die Brust wird als nicht zugehörig zum Subjekt der Mutter verstanden, sie ist eine Nicht-Ich-Quelle, von der Abhängigkeit besteht.

 

 

Erst allmählich lernt der Säugling, die Mutter als ein von sich unabhängiges äußeres Objekt zu erkennen und versteht, daß die Brust zur Mutter gehört. Dadurch muß je­doch die alleinige Existenz der Brust als Objekt zerstört werden. Erst nach dieser Zerstörung - und hier spielt die aggressive Destruktion die entscheidende Rolle für die Ich-Entwicklung - kann das Objekt außerhalb der omnipotenten Kontrolle des Subjektes angesiedelt werden; wo Objekt (Brust) war, wird Subjekt (Mutter) und Kind.

 

 

Die dafür zentral wichtige Erfahrung des Kindes ist,daß die Mut­ter die Fähigkeit besitzt, die Zerstörung zu überleben, ohne sich zu rächen. Negative Gefühle werden auf beiden Seiten zugelassen. Dadurch hat das Kind die Mög­lichkeit, sein eigenes Triebbedürfnis außerhalb einer äußerlichen Realität zu befriedigen, ohne diese zu würdigen oder wahrnehmen zumüssen. Das alles erfüllt die Mutter. Da­s Kind trinkt von einer Brust, die zu seinem Selbst gehört. In dem Prozeß zur Entwicklung der Objektverwendung und der Wahrnehmung der äußeren Objekt­welt spielt dieser Bereich eine entscheidende Rolle als ein neutraler Erfahrungsbe­reich, der die Möglichkeitgibt, ständig zwischen innerer und äußerer Realität vermit­teln zu können.

 

 

Die Auseinandersetzung mit dem Objekt Mutter wird vom Kind als real erlebt. Ein wichtiges Thema dieser Auseinandersetzung betrifft - wie bereits erwähnt - die Aggression. Die normale Ich-Entwicklung des Kindes wird durch einen Prozeß geprägt, der zunächst auf einer symbiotischen Beziehung aufbaut, der die infantile Abhängigkeit zur Mutter wider­spiegelt. Dieser Zustand wird im Lauf der Entwicklung zugunsten eines Zustandes der erwachsenen oder reifen Abhängigkeit, die zwischen Selbst und Objekt differen­ziert, aufgegeben. Das eigentliche Problem besteht darin, daß das Ich zu schwach ist,um mit der Außenwelt alleine, ohne die Mutter, zurecht zu kommen, also mit der Welt der Objekte. Es be­steht eine starke Sehnsucht, durch eine stabile Beziehung zu einem Objekt ein Gefühl der Sicherheit zu bewahren. Wo Bindung nicht möglich ist, besteht nur Aggression. Die grundlegende Aggression ist der Ausdruck von Wut und Enttäuschung über den Verlust von Objektbeziehungen. Aggressive Handlungen haben den Zweck, die lustvoll erlebten, jedoch nicht immer möglichen menschlichen Objektbeziehungen abzuweh­ren.

 

 

Übergangsobjekte sind für das Kind der erste nicht zum Selbst gehörende Besitz, der aber gleichzeitig von dem Kind selbst erschaffen und nicht aufgefunden wurde – wie die Brust der Mutter. Das Übergangsobjekt Brust (später Plüschtiere) muß ersetzt werden, um sich der Realität zu stellen. Ist der Mensch reif für die Realität, kann er sie aushalten, benötigt er keine Übergangsobjekte (Plüschtiere etc.) mehr.

Übergangsobjekte können auch Konzepte, Begriffe oder politisch korrekte Vorstellungen sein. Etwa wenn Kinder m. geistiger Behinderung auf der Webseite eines Kinderladen als "Besondere Kinder" tituliert oder im Englischen als "geistig herausgefordert" bezeichnet und verniedlicht werden. In dem ZEITMAGAZIN Nr. 3/12.1.2012 beklagt in einem Artikel ("Das es dich gibt") die Mutter einer behinderten Tochter, die sie lebenslang wird pflegen müssen, derartige Verdrängungsmechanismen folgerichtig:" Ist Ben (der gesunde Bruder)  nicht  besonders...Sind wir so verklemmt, dass wir die Tatsachen verdrehen? (S. 18)". Begriffliche Kunststücke sind für diese Mütter und andere helfende Angehörige keine Hilfe.

Das Leid wird begrifflich wegretouchiert. 

Auch hier wird Realität nicht ausgehalten. Aber Realität ist kommpromißlos. Als diese Mutter ein Schwimmbad anruft und nach Schwimmen für "Kinder mit Beeinträchtigungen" fragt, versteht die MA des Schwimmbades zunächst die Formulierung nicht und fragt zurück:" Ach, sie meinen die Behinderten?" Die Autorin stellt danach fest:" Seitdem sage ich behindert (S. 18)".

Politisch korrekte Begriffe sind nichts anderes als sprachliche Plüschtiere!

 

 

Psychisch kranke Menschen oder Menschen mit einer geistigen Behinderung, denen die Vermittlungsfähigkeit zur Realität mehr oder weniger abhanden gekommen oder vermindert ist, benötigen sogenannte Übergangsobjekte. Übergangsobjekte werden von Menschen m. B. geschaffen (oder beibehalten), weil es ihnen nicht gelungen ist, eine Beziehung zur Realität herzustellen. Übergangsobjekte besitzen deshalb hier - im Gegensatz zur kindlichen Phase - keine zeitliche Dimension, sondern sind als Brücke zu verstehen. Übergangs­objekte können auf verschiedene Weise hergestellt werden, vom eigenen Daumen bis hin zum Plüschtier / zur Puppe. Durch dieses Übergangsobjekt erfolgt eine Angstbindung bzw. eine Abwehr depressiver Ängste, so daß das Übergangsobjekt als äußeres Objekt weiterhin derKontrolle des Kindes bzw. des M. m. B. unterliegt. (Talismane mögen eine ähnliche Funktion haben).

 

Zusammenfassung:

 

Der Säugling lernt seine Mutter nur als Objekt in Form der Brust als Nahrungsquelle kennen, die für sein Überleben notwendig ist. Die Brust kann deshalb auch als (erstes) Übergangsobjekt bezeich­net werden. Zum anderen ist ein Übergangsobjekt eine Frühform der Realitätsprü­fung und markiert den Beginn der Verknüpfung zwischen innerer und äußerer Reali­tät. Das Übergangsobjekt ist ein Rest der intermediären Welt, ein Paradies, in wel­ches sich auch gelegentlich Erwachsene zurückziehen, um wieder mit der Mutter eins werden zu wol­len. Das Kind wird  geliebt und gleichzeitig wegen seiner ständigen Suche nach Bedürfnisbefriedigung aggressiv erlebt und abgewehrt (Ambivalenz). Durch die gleichzeitige Liebe kann diese Abwehr in Form von "Mich - Mutter - gibt es auch noch!" -ertragen werden. Das Bewältigen des Ambivalenzkonfliktes ist eine wichtige, erste psychologische Voraussetzung für die Bewältigung der Realität. Die in einem sozialen Kontext ständig auftretenden (normalen) Ablehnungen anderer Menschen - oder Verhältnisse - kann so ohne größere Störungen ertragen und bewältigt werden.

Für die Frage, welche Wohnform für einen M. m. B. adäquat ist, kann die Prüfung, ob der Ambivalenzkonflikt bewältigt wurde, eine Hilfestellung bei der Entscheidungsfindung sein.

 

M. m. B. haben entweder aufgrund einer gestörten Entwicklungin der Kindheit, die eine Abspaltung von Gefühlen bewirkt (siehe bei M. mit Borderline etc.) verlernt, mit der Realität  adäquat zu kommunizieren, sie verfallen (Re­gression) oft in frühere Verhaltensweisen, in die intermediäreWelt, in der es zwischen der Mutter und der Realität nur das Übergangsobjekt „Brust“ gab. Da diese nun fehlt, muß ein anderes Übergangsobjekt gefunden werden, um die Verbindung zur Realität herzustellen. Diese Funktion haben Plüschtiere, Puppen oder andere Objekte.

 

Das Übergangsobjekt findet sich nach meinen Erfahrungen besonders in Wohnstätten, wo die Bewohner viele Übergangsobjektebesitzen. Es gibt Zimmer, die geradezu mit Übergangs­objekten in Form von Plüschtieren oder Puppen vollgestellt sind.

 

Das Problem von Übergangsobjekten für behinderte Menschen besteht darin, daß es ihnen dadurch weniger möglich wird, zwischen Selbst und Nicht-Selbst, zwischen Grenzen und Trennungsleben zu unterscheiden. Zwar macht der Besitz des Über­gangsobjektes das Leben kurzzeitig erträglicher und aushaltbarer, jedoch werden immer wieder die Grenzen zwischen dem Ich und der  Realität verwischt, was dann in der täglichen Praxis zu vielfältigen Problemen führt. Es käme nun darauf an, Objektbe­ziehungen  - in der Regel Beziehungen zur Umwelt - zu entwickeln, die die Übergangsobjekte zeitweise überflüssig machen könnten. Es würde zu einer verstärkten Wahrnehmung der Realität und zur Reduzie­rung von alltäglichen Problemen führen.

 

Die völlige Beseitigung oder das Wegnehmen von Übergangs­objekten halte ich jedoch für einen Fehler, weil bei den fragmentarischen Persönlichkeitsstrukturen der M. m. B. ohne Übergangsobjekt die Realität oft nicht aushaltbar ist. Übergangsobjekte sollten vom Betreuer nicht übermäßig unterstützt und stets von Inhalten der Realität / Alltag – Herstellen von sozialen Beziehungen, Einhalten von Alltagsregeln und Pflichten -  ergänzt werden. Dazu ist jedoch eine Bemühung im Sinne Winikotts (ausreichend guter Betreuer bzw. Betreuung) notwendig.

 

Fallbeispiel: Frau X.

Die Ambivalenz der Übergangsobjekte kann an dem Beispiel von Frau X. besonders gut erläutert werden. Frau X ist wesentlich behindert. Die Diagnose lautet: Geistige Behinderung mit einem autistischen Syndrom.  Sie hat auch Übergangsobjekte, die die jeweiligen Anteile der Emotionen im Übergangsbereich zwischen Ich und Realität repräsentieren wie Aggressivität, Liebe, Freundschaft oder auch gar Humor. Die Übergangsobjekte sind eine zentrale Vermittlungsstelle zwischen dem Ich und derRealität. Frau X. hat ganz viele Stoffschweine, drei davon sind bevorzugt. Eines davon heißt Mathilde. Diese darf nicht mit zur Arbeit, sie hat Werkstattverbot, weil sie bissig ist. Die anderen beiden Schweine heißen Saraund Lisa, wobei Sara immer das Lieblingsschwein ist, denn Lisa  ist noch ziemlich neu. Frau X hat Sara am liebsten, Sara ist das „älteste Schwein“. Frau X beschäftigt sich abwechselnd mit Sara oder auch mal mit Lisa, manchmal hat sie aber auch keines von den beiden Schweinen mit. Sara wird manchmal zuhause gelassen, weil sie „faul“ ist. Frau X bezeichnet Sara als ihre Freundin. Hat sie diese mit, liegt diese den ganzen Tag neben ihr auf dem Tisch. Wenn Frau X den Raum verläßt, nimmt sie Sara nicht immer mit. Frau X schaut und lächelt Sara gerne an. Sie schmust mit Dara, sie streichelt sie und küßt sie. Dabei sagt sie immer wieder den Namen des Stoffschweins. Frau X kaspert auch gerne mit Sara. Sie nimmt Sara hoch, hebt ihren Schwanz und sagt: „Sara kackt in die Kiste“. Sie lacht dann sehr laut, weil alle anderen auch lachen (hier wird der regressive Charakter besonders deutlich). Sie nimmt Sara auch gerne, geht auf den Zivi oder auf die Arbeitspädagogin zu und bufft sie mit Sara (sie meint damit, daß Sara beißt).Wenn die Arbeitspädagogin „Aua“ sagt, lacht Frau X laut los. Mit Lisa geschieht dies auch. Mit Lisa wird nicht geschmust, geküßt oder gestreichelt. Frau X hat keineProbleme damit, die Schweine, wenn sie außerhalb der Arbeitsstätte z. B. zum Schwimmen geht, zuhause zu lassen. Meistens sind sie in ihrem Rucksack. Mit Hilfe der Schweine nimmt Frau X ganz deutlich Kontakt mit der Umwelt auf.

 

Die Schweine sind eindeutig Übergangsobjekte, die es Frau X ermöglichen, mit der Realität zu kommunizieren.  Sie ist in der Phase der Objektwerdung des Kindes stehen geblieben (aber sie sind keine Kinder oder mit Kindern vergleichbar!). Eine weitere Entwicklung ist vermutlich aufgrund der autistischen Informationsverarbeitung nicht möglich. Letztere besteht im Wesentlichen aus einem gestörten thalamischen Filter (die Thalami ordnen und selektieren -  filtern - die einströmenden Reize im Gehirn). Die Unterteilung in verschiedene Objektbeziehungen (gut, böse, aggressive und freundliche Schweine) ermöglicht dagegen eine bessere Informationsverarbeitung, Realitäts – und Streßbewältigung.

Wie können wir im Spannungsfeld "Akzeptanz Übergangsobjekte - Durchsetzung von Alltagsregeln" reagieren?

Folgende Regeln haben sich in der Praxis bewert:

Die Akzeptanz für Plüschtiere als Übergangsobjekte sollte einer diagnostischen Linie folgen. Bei M. m. psychotischen Störungen, entweder als Hauptstörung, als Nebenstörung oder innerhalb einer Doppeldiagnose sollte die Akzeptanz für Übergangspobjekte gegenüber der Durchsetzung von Alltagsregel - oder pflichten im Vordergrund stehen;  bei anderen Diagnosen nicht. Besonders bei Lernstörungen steht die Durchsetzung des Alltags bzw. der Alltagsregeln an erster Stelle.

 

Bei M. m. einer Behinderung und einem autistischen Syndrom, wie im vorliegendem Beispiel,  steht die Akzeptanz der Übergangsobjekte im Vordergrund, die Alltagsregeln richten sich danach. Bei Menschen m. B. ohne autistisches Syndrom steht die Durchführung der Alltagsregeln im Vordergrund.

 

Dr. Klaus Gehling/Februar 2012